Wie andere Strukturen stellt das Vertebratenskelett ein komplexes Organ mit vielfältigen Funktionen dar, zu dessen primären Aufgaben die Stützfunktion des Körpers gehört. Ferner ist das Skelett für den Schutz von weiteren Organen wie dem ZNS im Kopfbereich oder der Lunge und dem Herz im Thoraxbereich essentiell. Eine weitere lebensnotwendige Funktionen stellt das Reservoir an hämatopoetischen und mesenchymalen Stammzellen in den langen Röhrenknochen dar.
Entwicklungsdefekte des Vertebratenskeletts verursachen des Öfteren Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit verbunden mit Schmerzen, können aber auch Letalität zur Folge haben. Sowohl Störungen der Musterbildung als auch der Knochendifferenzierung können zu Defekten während der Skelettentwicklung führen.
Bei Störungen der Musterbildung treten gehäuft Defekte in der Extremitätenentwicklung auf, wobei die Knochen der Extremitäten entweder eine veränderte Form aufweisen, verdoppelt sind, oder gar fehlen. Defekte im Bereich des axialen Skeletts wie z.B. der Spina bifida oder des Schädels wie z.B. bei der Holoprosencephalie haben entweder erhebliche neurologische Störungen oder Letalität zur Folge. Störungen der Knochendifferenzierung weisen hingegen schwerwiegende Veränderungen der Knochenstruktur auf, wie sie z.B. in der Osteogenesis imperfecta („Glasknochenkrankheit“) auftreten können, die zu einer erhöhten Fragilität der Knochen führt.
Die Bildung der Knochengewebe, bezeichnet als Ossifikation, kann entweder aus Bindegewebe (desmal) oder aus Knorpelgewebe (chondral) erfolgen. Die desmale Ossifikation stellt dabei den Prozess dar, bei dem das Knochengewebe direkt aus dem Mesenchym gebildet wird. Während der desmalen Ossifikation differenzieren die mesenchymalen Zellen in für die Bildung der Knochengrundsubstanz verantwortliche Osteoblasten, die während der Mineralisierung zu Osteozyten werden. Knochenstrukturen wie das Schädeldach, die Knochen des Gesichtsschädels und das Schlüsselbein entstehen durch desmale Ossifikation. Im Gegensatz dazu entsteht während der chondralen Ossifikation aus mesenchymalen Zellen das knorplige Skelettelement (das Primordialskelett), welches anschließend verknöchert. Das axiale und appendikuläre Skelett entsteht durch chondrale Ossifikation. Die Verknöcherung erfolgt entweder von innen (enchondral) oder von außen (perichondral).
Alcian Blue-/Alizarin Red-Färbung eines murinen Skeletts
Um Defekte des Knorpel-/Knochenwachstums aufgrund von Entwicklungsstörungen, seien diese auf genetische Mutationen oder auch auf Umwelteinflüsse zurückzuführen, zu detektieren, ist unter anderem die Visualisierung dieses Prozesses notwendig. Zu diesem Zweck kann eine Färbung der korpeligen und der ossifizierten Strukturen mit Hilfe der Alizarin Red-Lösung (zur Färbung von Knochen) und der Alcian Blue-Lösung (zur Färbung von Knorpeln) vorgenommen werden.
Für die Abbildungen wurde dazu eine Färbung des Skeletts von 17,5 d alten Mäuseembryonen mit Hilfe der Alizarin Red-/Alcian Blue-Färbung vorgenommen. Dazu wurde zunächst die Haut der Embryonen abgezogen und anschließend wurden die gastrointestinalen Organe, die Geschlechtsorgane, die Lunge und das Herz entfernt. In einem weiteren Schritt wurde ein Großteil des Muskelgewebes verdaut. Anschließend erfolgte die Skelettfärbung.
Das murine Skelett eines 17,5 d alten Embryos weist im Vergleich zu älteren Stadien einen höheren Anteil an knorpeligen Strukturen auf. In diesem Stadium weist vor allem das appendikuläre Skelett primäre Ossifikationszentren auf, welche besonders bei den Röhrenknochen im Bereich der Diaphyse gut zu sehen sind. Sekundäre Ossifikationszentren sind nicht zu detektieren. Während die Brust-, Lenden und Kreuzbeinwirbel Anzeichen von Ossifikation aufweisen, bestehen die Schwanzwirbel aus Knorpel. Auch die Autopoden der vorderen und hinteren Extremitäten weisen keine Ossifikation auf.
Im Bereich des Kopfes sind einige ossifizierte Strukturen des Hirn- und Gesichtsschädels zu erkennen. Bei den Strukturen des Hirnschädels sind die direkt ossifizierten Strukturen Os parietale und Os frontale zu erkennen. Ferner weist der Os interparietale, welcher eine Verbindung zwischen Os parietale und Os occipitale darstellt, ebenfalls eine direkte Ossifikation auf. Zu den bereits direkt ossifizierten Strukturen des Gesichtsschädels gehören Maxilla, Premaxilla, Mandibula, Os basioccipitale und Os exoccipitale.
In der Detailaufnahme lassen sich deutlich die verschiedenen Knochenstrukturen und damit die durch desmale ossifikation entstandenen Knochen unterscheiden.
Auch interessant: Übersichtsartikel „Knochenbildung: chondrale und desmale Ossifikation“
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