Eigentlich hatte ich ja vor wenigen Tagen bereits einen ausführlichen Fortschrittsbericht veröffentlicht, aber gestern hat mich meine kleine Ameisenkolonie gleich mehrfach in Folge immer wieder überrascht.
Der Tag hatte eigentlich ganz normal begonnen. Wie immer schienen alle Arbeiterinnen bis auf eine im Nest bei der Königin zu bleiben. Eine erkundete allerdings schon morgens die Arena und den Verbindungsschlauch zwischen Arena und dem von mir angebotenen aber noch nicht bezogenen Gipsnest. Hier in meiner Wohnung war es nachts zwar etwas kühler als sonst, aber die Temperatur stieg dank der Südlage meiner Wohnung und eines großen Fensters schnell an. Ich hatte ja schon berichtet, dass meine Ameisen ab und an ihre Larven und Puppen an einer bestimmten Stelle im Verbindungsschlauch lagern. Wie ich vermute tun sie das, um das schnellere Ansteigen der Temperatur im Schlauch im Vergleich zum Reagenzglasnest zu nutzen. So überraschte es mich zwar, dass schon so früh eine Arbeiterin begann, Larven und Puppen im Schlauch zu deponieren, aber auch nicht allzu sehr. Doch dann begann es ungewöhnlich zu werden. Eine zweite Arbeiterin schloss sich ihr an. Bislang waren von meinen 4 Arbeiterinnen immer 3 im Nest geblieben und nur eine verließ das Nest. Doch damit nicht genug, es folgte sogar noch eine dritte Arbeiterin!
Ich beobachtete das ganze völlig erstaunt und fragte mich, was sich geändert haben könnte, dass die Ameisen sich plötzlich so anders verhielten. Doch nach einer Weile begann eine der Arbeiterinnen die Larven schon wieder zurück in das Reagenzglasnest zu transportieren. Währenddessen kam sogar noch die vierte und letzte Arbeiterin heraus, doch nachdem alle Larven zurück in Nest transportiert worden waren, beruhigte sich das Geschehen langsam wieder.
Danach verlief der Tag weitgehend ruhig. Ich ging einkaufen und besorgte etwas neues Futter für die Ameisen (Mittelmeergrillen und Mehlwürmer). Nach dem Motto das Futter ist, was es frisst und auch um es länger am Leben zu halten, wurde zunächst das neue Futter mit Futter versorgt: die Mittelmeergrillen bekamen versuchsweise Möhren und Kornflakes und die Mehlwürmer Mehl und Brotreste.
Danach wollte ich mich endlich um meine Ameisen kümmern und bereitete eine der Grillen als Futter vor. Nachdem ich sie vorsichtig auf einem Bierdeckel in die Arena gelegt hatte, ging plötzlich alles Schlag auf Schlag!
Zunächst fingen alle vier Arbeiterinnen gemeinsam an, die Larven und Puppen in den Schlauch zu transportieren. Dann erkannte ich, dass eine der Arbeiterrinnen auch ein Eipaket in den Schlauch trug. Plötzlich zeigte sich am Eingang des Reagenzglasnests die Königin! Sie drehte zwar wieder um, aber kurz darauf kam sie wieder zum Eingang. Alle Larven, Puppen und Eier waren längst im Schlauch und ich erkannte, dass sie auch ausziehen wollte.
Sie versuchte aufgrund der von den Arbeiterrinnen gelegten Geruchsspur den gleichen Weg zu nehmen wie die Arbeiterrinnen, aber eine Engstelle erschwerte der Königin mit dem großen Hinterleib das Durchkommen. Hinzu kam, dass sie sich an der Glasscheibe festhalten musste. Immer wieder scheiterte sie, drehte um und krabbelte zurück ins Reagenzglasnest. Eine Arbeiterin kam immer wieder zu ihr zurück, als es zu lange dauerte. Ich wartete angespannt vor dem Formicarium und litt mit der Königin, fragte mich bereits ob sie es überhaupt schaffen würde, aber am Ende klappte es doch noch.
Als sie den Schlauch erreichte, in dem die Larven und Puppen von ihren Arbeiterrinnen gelagert worden waren und der von ihnen wohl als neues Nest auserkoren worden war, trat das nächste Problem zu Tage. Zunächst durchquerte sie den gesamten Schlauch, krabbelte am anderen Ende wieder heraus und kehrte zurück, als sie zu merken schien, dass sie zu weit war.
Als die Ameisenkönigin wieder zurück im Schlauch war und versuchte, sich dort umzudrehen, fehlte ihr ausreichend Platz. Mehrfach ging es vorwärts und rückwärts, bis das ganze letztendlich in einem geradezu qualvoll anmutenden Purzelbaum endete.
Ich frage mich wirklich, wie es zu dieser Nestwahl kommen konnte. Ameisen bevorzugen normalerweise dunkle Nester und der Schlauch ist alles andere als dunkel. Gut, ich kann meine Ameisen jetzt besser beobachten, aber irgendwie leide ich mit den Tieren. Ist das Gipsnest womöglich so schlecht geeignet? Vielleicht etwas zu feucht? Allerdings scheint es wohl recht häufig vorzukommen, dass Ameisen in Formicarien sich in Verbindungsschläuchen einnisten.Gestern und über den heutigen Tag habe ich schon einige weitere Purzelbäume meiner kleinen Purzelbaumprinzessin, wie ich meine Ameisenkönigin inzwischen liebevoll nenne, beobachten können. Einmal beobachtete ich heute auch, wie die Königin den Schlauch verließ und durch die Nestöffnung gezielt in das Gipsnest krabbelte. Alle anderen Ameisen blieben dagegen mit den Larven und den Puppen im Schlauch zurück. Die Königin hielt sich kurz in der ersten Kammer des Gipsnestes auf, drehte nach etwa einer halben Minute wieder um, krabbelte aus der Öffnung aus dem Gipsnest wieder heraus und dann zielstrebig zurück zum Schlauch. Ein wohl eher ungewöhnliches Verhalten für eine Ameisenkönigin, dass sie auf Erkundungstour geht. Naja, jetzt heißt es wohl abwarten. Die Ameisen sind jetzt auf jeden Fall wesentlich näher am Gipsnest und vielleicht kommt es so eher zu einer gründlichen Untersuchung desselben durch die Arbeiterrinnen. Zudem dürfte das viele Licht im Schlauch nicht gerade einen Grund zum Bleiben für die Ameisen darstellen.