Es war am letzten Samstag, ich saß mit meiner Freundin am Frühstücktisch
und las es in der Zeitung, doch glauben konnt ich´s nicht.
Ich erstarrte – was meine Freundin wohl gesehen,
mich besorgt anblickend:“Ist irgendwas geschehen?“
Doch konnt ich nichts erwidern, außer: „Ich muss mal raus!“
Und verschwand im nächsten Moment aus unserm gemeinsamen Haus.
Ich stieg in meinen Wagen und fuhr so ziellos fort,
bis ich irgendwann erreichte
einen wohlvertrauten Ort.
Zum Rheinufer hatte mein Weg geführt,
erkannte ich, emotional berührt.
Ich parkte mein Auto, ging hinunter zum Strand
es war fast so, als beträte ich vergessenes Land.
Dann brachen die Gefühle
so voll über mich rein
dass ich begann zu weinen
– sah mich doch hier kein Schwein.
Ich heulte wie ein kleines Kind, wie Jahrzehnte schon nicht mehr,
den Blick gerichtet auf den Rhein
der wurde dann zum Meer.
Zum Meer in der Erinnerung,
am weißen, karibischen Strand,
wo wir uns im Urlaub liebten
im Dominikanischen Land.
Es war unsere erste Reise, sie war so wunderschön
und so voller Romantik, nie wollten wir auseinander gehn.
Natürlich kam es anders, wie´s so im Leben spielt,
unsere große Liebe doch nur zwei Jahre hielt.
Es lag an mir, ich verliebte mich in eine andere Frau
du warst so fertig mit der Welt, ich weiß es noch genau.
Nie werd ich dein Gesicht vergessen, als ich es dir gestand.
Du wirktest, als hätt man dir das Herz rausgerissen
und wurdest blass wie eine Wand.
Ich fühlte mich so elend, voll schuldig, wie ein Schwein,
du sagtest nicht mehr viel, nur: „Ich will alleine sein!“
Am nächsten Tag redeten wir dann, ich seh es noch genau,
du warst so eine stolze, tapfre und schöne Frau.
Du sagtest, wenn ich die Andere wirklich liebte,
würdest du mich ziehen lassen.
Du könntest es verstehen und mich niemals dafür hassen.
Ich sah dir in die Augen und fühlte mich winzig klein,
was warst du so viel größer, als ich würd jemals sein.
„Deine wunderschönen blauen Augen“, sagtest du als letztes
an der Tür, „ich werde nie vergessen, was sie bedeuteten mir.“
Ich hatte einen Kloß im Hals, konnte kaum sprechen dann
und lächelte stattdessen dich so verlegen an.
„Könn wir denn Freunde bleiben?“ fragte ich jung, naiv.
„Es tut mir leid, doch dafür Chris, ist dieser Schnitt zu tief.“
Wir küssten uns ein letztes Mal, die Tür schloss hinter mir,
ich hab damals noch nicht geahnt
was ich zurücklasse mit dir.
Auch mit der anderen war es schön, ich liebte aufrichtig sie,
doch soll ich´s ehrlich sagen? Vergessen hab ich dich nie.
Die erste wahre Liebe im Leben man nie vergisst,
ganz gleich was man geworden, ganz gleich, wie alt man ist.
In all den Jahren später
so manche noch kam und ging,
doch ab und an kamst wieder
auch du mir in den Sinn.
Was wir miteinander hatten, so unschuldig und rein
sollt danach niemals wieder je zu erreichen sein.
Als wir das nächste Mal uns sahen, waren viele Jahre gezogen ins Land,
du warst eine Frau Mitte zwanzig, zwei Kinder an der Hand.
Du sahst so glücklich aus und freudig lachte dein Gesicht:
„Meine große Liebe mit den himmelblauen Augen,
vergessen hab ich dich nicht!“
Wir beide lachten und umarmten uns spontan
sehr zur Verwunderung der Kinder
die sprachlos sah´n uns an.
„Mama, wer ist der Mann?“ der ältere Junge fragte.
„Ein lieber Freund aus alten Tagen“, seine Mutter darauf sagte.
Wir sahen uns in die Augen – und für einen kurzen Moment war es
wie früher dann – bevor jemand rief: „Schatz, kommst du?“
Die Stimme gehörte deinem Mann.
Wir wünschten uns alles Gute dann eben,
blickten beide noch über die Schulter zurück
als wie zu einem früheren Leben.
Das war das letzte Mal, das ich dich sah.
Du starbst an einem Tumor mit 33 Jahr.
Es war dunkel geworden, dort unten am Rhein,
meine Freundin würde sich langsam Sorgen machen.
Drum stieg ich ins Auto und fuhr heim.
Zuhause angekommen, schloß ich dann auf die Tür
und wünscht zum letzten Mal, sie führte mich zu dir.
Christoph Schlüter, November 2006