6. Geburtstag: Das dritte Jahr des blauen Zuges
12. Geburtstag
Sechs Jahre waren vergangen. Nachdem sie mehrere Pflegefamilien durchlaufen hatte landete sie in einem Internat, übersprang 3 Klassen und war inzwischen im Abschlussjahrgang.
Freunde hatte sie keine…
Durch den Wechsel der Pflegefamilien hatte sie immer wieder ihre wenigen gewonnenen Freunde verloren. Irgendwann hatte sie sich entschieden Freundschaften zu vermeiden, die letzten Endes doch nur wieder schmerzhaft mit einer Trennung endeten. So schaffte sie es auch ohne Rückhalt aus ihrer Umgebung durchzuhalten und lernte alleine klar zu kommen.
Als sie dann das Internat besuchte war sehr schnell aufgefallen wie begabt sie war und die Trennung von ihren Mitschülern beim überspringen der Klassen bestätigte sie nur in ihrer Einstellung keine Freundschaften einzugehen.
Nun, im Abschlussjahrgang, waren ihr von mehreren Universitäten Studiengänge angeboten worden. Außerdem besuchte sie bereits einige Vorlesungen an verschiedenen Instituten. Ihr Stundenplan war voll und die wenigen verbliebenen Lücken füllte sie mit ihrer einzigen Freizeitbeschäftigung, einem Kampfsport mit Stab. Diesen hatte sie bereits bei ihrer zweiten Pflegefamilie begonnen.
Gekämpft wurde von den meisten in einem digitalen Netzwerk, in dem die Nutzer in einer virtuellen Arena aufeinandertrafen. Je nach Ausrüstung stand man dabei in einem Käfig von dem die Bewegungen erfasst wurden oder war direkt an ein Gerät angeschlossen, welches die Nervenimpulse messen und übertragen konnte.
Kalem war nur selten in diesem Netzwerk unterwegs. Meist trainierte sie alleine.
Um doch ab und zu online zu kommen ging sie zu einem lokalen Forum, wo sie einige der teuren Geräte hatten. Sie war inzwischen bereits mehrfach von diesem Forum gebeten worden für es bei Wettbewerben anzutreten.
Vor kurzem hatte sie zum ersten mal dieser Bitte entsprochen und für den übernächsten Tag, ihren Geburtstag, stand das Turnier auf dem Plan. Jedes Jahr trauerte sie an diesem Tag, doch dieses Jahr wollte sie nur eines: ihren Vater stolz machen!
Es war später Nachmittag und nach drei Stunden in Technik, einer kurzen Unterhaltung mit ihrem Lehrer über ökologische Auswirkungen der letzten Störung durch Außenweltler und einer Stunde Experimentalphysik war Kalem nun auf dem Weg an die Technische Fakultät der Universität. Die Vorlesungen über statische Bauprinzipien von Unterwasserlaboren waren zwar langweilig, doch wie der Professor meinte ein wichtiger Baustein der Existenz ihrer Gesellschaft.
Der Tagesablauf war inzwischen Routine doch heute gab es eine Überraschung, als sie an der Tür des Vorlesungssaales „fällt wegen Krankheit aus“ las. Aus Mangel an Beschäftigung besuchte sie eine Vorlesung im Nachbarraum in der gerade ein Professor vor einer kleinen Gruppe von Arbeitskollegen über „Theoretische Antriebsmodelle im Weltraum“ dozierte.
Der Vortrag stellte sich als außerordentlich interressant heraus, doch die anderen Zuhörer würdigten ihn am Ende kaum und nannten seine Ideen „sinnlos“ und „eine Zeitverschwendung“.
Nachdem alle Kritiker verschwunden waren trat Kalem an das Pult heran und fragte nach, ob es zu diesem Thema denn auch einen Studiengang gäbe.
Der Dozent war zunächst von der gerade zwölfjährigen etwas verwirrt, antwortete Kalem jedoch, dass es leider kaum Interesse für ein solches Fachgebiet gäbe.
„Niemand macht sich Gedanken wie die Fremdweltler hierher kommen. Man will sie nur nicht hier haben!“
Kalem fragte weiter nach der Fachbereichszugehörigkeit und stellte noch ein paar Fragen zum Thema. Dann erklärte sie dem Professor warum sie bereits als zwölfjährige Interresse an einem möglichen Studiengang hatte und bat ihn, ihr bei weiteren Vorlesungen und Forschungsfortschritten bescheid zu geben.
Nachdem sie gegangen war ging sie noch einmal die Angebote der verschiedenen Universitäten durch und trainierte zum Abschluss des Tages noch einmal für das Turnier.
Der nächste Tag verging schleppend denn sie erwartete ungeduldig den Tag des Turniers. Am Abend gab es noch ein kurzes Training, doch sie ging relativ früh ins Bett.
Als Kalem aufwachte war es früher Morgen, doch sie konnte vor Aufregung nicht weiter schlafen. Sie Frühstückte und versuchte sich danach mit Lernen und den Angeboten der Universitäten abzulenken.
Auf dem Weg zum Forum ging sie im Kopf noch einmal ihr Training durch. Als sie ankam war sie immer noch viel zu früh und sie konnte sich nach der Anmeldung noch gemütlich aufwärmen.
Die anderen Teilnehmer die sie online traf waren aus der ganzen Region. Zwei Besucher vom Festland waren auch dabei.
Als Preis war ein eigener Nervenimpulsabnehmer für zu Hause und ein Kampf mit einem Gast aus der Tiefsee ausgesetzt. Durch den hohen Druck in diesen Tiefen hatten Kämpfer von dort angeblich eine besonders hohe Konstitution. Außerdem war dieser Gast ein Mitglied eines Meisterschaftsteams welches in einigen der größeren Wettkämpfe mehrfach gewonnen hatte.
Als es endlich los ging konnte Kalem zunächst nur bei den ersten Kämpfen zusehen. Als sie dann selbst an die Reihe kam durfte sie enttäuscht feststellen, dass ihre ersten paar Gegner nur aus Spaß mit machten und kaum Übung besaßen.
Sie kam schnell durch die Auswahlkämpfe und durfte in die Endauswahl. Im Viertelfinale traf sie auf den Kämpfer eines rivalisierenden Forums, der endlich einen richtigen Gegner darstellte. Dieser war bereits als Favorit gehandelt worden, da er die letzten drei Turniere gewonnen hatte.
Kalem hatte einige Probleme mit ihm, doch zu guter letzt siegte sie, denn ihr Gegner hatte aufgrund seiner Selbstsicherheit seine Deckung vernachlässigt.
Halbfinale und Finale waren danach nur noch Formsache.
Bei der Siegerehrung wurde ihr ein virtueller Pokal überreicht, der ihre Lieferadresse für den Nervenimpulsabnehmer auslas und sie per Link in eine weitere Arena schickte.
Der Gast aus der Tiefsee verbeugte sich vor ihr.
„Gratuliere, gut gekämpft!“
„Danke…“ brachte Kalem nur hervor.
Als sie nichts weiter sagte meinte er:
„Mal sehen wie du dich machst. Dann werde ich dir einmal einen Geschmack davon geben, was du noch alles lernen kannst. Bereit?“
Kalem nickte kurz.
Langsam begannen sie sich zu umkreisen.
Da das Turnier öffentlich war beobachteten viele Besucher den Kampf. Dass eine unbekannte Kämpferin den Favoriten besiegt hatte hatte sogar noch für weiteren Zulauf gesorgt, doch Kalem war so auf den Kampf konzentriert, dass sie gar nicht darüber nachdachte.
Er schien ihr keine Lücke für einen Angriff zu bieten doch sie wartete auf eine Chance. Dann stürmte er los! Kalem gelang es gerade noch auszuweichen bevor ihr Gegner auch schon einen weiteren Schlag ansetzte. Sie ging kein Risiko ein, wich zurück und blockte die 3 nächsten Schläge. Dann standen sie sich erneut gegenüber. Wieder folgte minutenlanges umkreisen und wieder stürmte er plötzlich los. Diesmal war sie jedoch besser vorbereitet. Sie wich zur Seite aus und traf ihn aus der Drehung im Rücken.
Der Schlag hatte zwar keine körperliche Wirkung hinterlassen, aber die Überraschung bei ihrem Gegner war nicht zu übersehen als er sich umdrehte.
Einen Moment später stürmte er wieder los und traf sie trotz Gegenwehr in die Seite. Sie stand sofort wieder und diesmal begann sie den Angriff. Sie brachte ihren Gegner zu Fall schaffte es jedoch nicht ihn mit dem Stab zu treffen. Er rollte sich einfach zu schnell zur Seite.
Als er wieder stand merkte sie, dass sich etwas an seiner Einstellung geändert hatte. Er schien sie nun ernster zu nehmen.
20 Minuten lang ging es hin und her und immer wieder gelang es ihr ihn zu treffen, doch zuletzt prallte sie beim ausweichen mit dem Kopf an die Wand und er nutzte den Vorteil um ihr mit einem weiteren Schlag die Waffe zu entreißen.
Als sie sich nach dem Kampf zurück in ihr Forum kam wurde sie aus allen Richtungen gelobt.
Sie kam erst nach einer halben Stunde aus dem Forum heraus und auf dem Heimweg hatte sie das Gefühl zum ersten mal seit Jahren einen richtigen Geburtstag gefeiert zu haben.
2 Tage später kam ihr Preis an und sie probierte das Gerät gleich aus. Kaum eingeloggt erwartete sie eine Nachricht.
Ihr letzter Gegner, der Gast aus der Tiefsee, hatte ihr eine Adresse im Netz gegeben damit sie besser trainieren konnte. In der Nachricht stand weiter nur: „Wir sehen uns!“
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