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4. Unerklärliche Beobachtungen

Gliederung

1. Zusammenfassung

2. Einleitung

3. Der Begriff Epigenetik

4. Unerklärliche Beobachtungen?

5. Epigenetische Mechanismen

6. Erklärung des Unerklärlichen

7. Laborversuche zur Beeinflussung epigenetischer Mechanismen

8. Diskussion

9. Literaturangaben

4. Unerklärliche Beobachtungen

Beobachtungen, welche nicht den Regeln der synthetischen Evolutionstheorie und der so hoch geschätzten Genetik zu folgen schienen, wurden oft als fehlerhafte Untersuchungen abgetan, oder einfach als Ausnahmen deklariert.
Aber die Anzahl solcher Beobachtungen wuchs und das Interesse für die Ursachen dieser „Ausnahmen“ ebenso.

4.1 Krebs

Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass ein Krebstumor aus Zellen entsteht, die eine genetische Mutation besitzen. Im Verlauf der Krebsforschung wurde jedoch klar, dass in vielen Fällen keine genetische Mutation vorliegt und die eigentlichen Krebszellen im Zellkern weiterhin die gleiche Basenfolge besitzen wie gesunde Körperzellen.3
Was könnte also hier die Ursache sein? Es müsste zu einem Fehler bei der Regulation der Gene gekommen sein und damit zu epigenetischen Veränderungen, die von Tumorzellgeneration zu Tumorzellgeneration weitergegeben werden. Wenn die Regulation der Gene durch die Epigenetik jedoch auch rein genetisch gesteuert war und diese Regulation damit auch rein genetisch vererbt wurde, wie konnte es dann zu einer solchen Fehlfunktion kommen, ohne dass Mutationen auftraten?

4.2 Das Phänomen „Japanisches Paradox“

In industrialisierten Ländern wird schon lange eine Zunahme der Krebserkrankungen festgestellt. Als mögliche Gründe dafür werden unter anderem Stress, ungesunder Lebenswandel und verschiedene Giftstoffe, die in der Industrie anfallen, angegeben.
In diesem Zusammenhang wurde eine auffällige Anomalie entdeckt. Gerade im hochindustrialisierten, hektischen Japan stellte man in Statistiken signifikant weniger Krebserkrankungen fest als in anderen vergleichbar industrialisierten Ländern. Speziell in Okinawa kommt es statistisch zu den wenigsten Brust- und Prostatakrebserkrankungen weltweit.4
Und nicht nur bei der Anzahl der Krebserkrankungen gibt es eine signifikante Abweichung zu anderen Ländern. Die Menschen in Japan und speziell in Okinawa erreichen auch ein wesentlich höheres Alter als die Menschen in anderen Ländern und sie erfreuen sich dabei einer guten Gesundheit. So kommen in Okinawa auf 1 Million Einwohner etwa 700 Hundertjährige.
Wodurch kann diese Abweichung von den Statistiken von anderen entsprechend industrialisierten Ländern erklärt werden? Ist der andere Lebenswandel die Erklärung für dieses Phänomen? Aber welche Unterschiede im Lebenswandel könnten einen so großen Einfluss besitzen und warum?
Aber selbst wenn das hohe Alter und die Gesundheit im hohen Alter mit dem Lebenswandel erklärt werden kann, lässt sich dieser Schluss auch auf eine Erkrankung wie Krebs ausweiten?

4.3 Der holländische Hungerwinter und seine Auswirkungen

Im Winter 1944 blockierte Deutschland für 6 Monate die Nachschubwege für Nahrungsmittel, die nach Holland transportiert werden sollten. Die Folge war eine schwere Hungersnot. Besonders schwer traf die Hungersituation Kinder und schwangere Frauen.

In einer Studie wurden die aus einem Krankenhaus stammenden Geburtsberichte eben dieser Jahre mit Geburtsberichten besserer Jahre verglichen. Wie zu erwarten hatten die Neugeborenen dieses Jahrgangs ein niedrigeres Geburtsgewicht. Überraschender war, dass auch die Nachkommen dieser Generation ein Geburtsgewicht aufwiesen, welches signifikant unter dem durchschnittlichen Geburtsgewicht in der Bevölkerung lag.5
Außerdem stellte man fest, dass die zu dieser Zeit geborenen Kinder unter einem signifikant erhöhten Risiko litten, an Typ II Diabetes und anderen Folgeerscheinungen wie Brustkrebs zu erkranken.6
Es schien, als hätten die schwangeren Mütter ihre Erfahrungen mit dem Hungerwinter in irgendeiner Weise an ihre noch nicht geborenen Kinder weitergegeben. Das wäre noch durch eine schwächere Konstitution aufgrund der Unterversorgung im Mutterleib zu erklären gewesen, doch dass diese Erfahrungen anscheinend noch an die Enkel weiter gegeben wurden, gab aus dieser Perspektive keinen Sinn mehr.
Und wieder stellt sich die Frage, wie sich dieses Phänomen mit Hilfe der Genetik erklären lassen könnte? Die Basenfolge lässt sich durch Umwelteinflüsse wie Hunger nicht verändern und vor allem nicht gezielt. Wie also war es möglich, dass die Kinder die Erfahrungen der Mütter in ihrem Stoffwechsel festschrieben und zudem auch noch Teile dieser Informationen an eine weitere Generation weiter gaben? Außerdem stellt sich die Frage, was die evolutionären Vorteile eines solchen Mechanismus wären?
Spätestens hier ergibt sich ein folgenschweres Problem, denn in der synthetischen Evolutionstheorie wird davon ausgegangen, dass Anpassungen ungerichtet sind und über die Gene an folgende Generationen weiter gegeben werden können.
Die Anpassungen an die Hungersituation sind hier jedoch bei allen Kindern sehr ähnlich und scheinen eine spezifische Reaktion auf die Hungersituation im Mutterleib zu sein. Außerdem kommt es zu einer Vererbung an weitere Generationen und damit müssten die Gene involviert sein, aber wie sollte eine Hungersituation einen solchen Einfluss verursachen, ohne die Gene zu verändern?

4.4 Die Menschen aus Överkalix

geographische Lage von Överkalix
Abb.2: Die Lage von Överkalix
Foto: Fred J
Lizenz: Creative Commons Attribution 2.5 Generic

Die Originaldatei ist hier zu finden.

Berichte über ein ähnliches Phänomen kommen aus Schweden (Bygren et al. 1999). Die kleine Gemeinde Överkalix hatte im Laufe des 19. Jahrhunderts in der Regel unter Missernten zu leiden und die Menschen dort waren daher meist mit zu wenig Nahrungsmitteln versorgt.
Aufgrund einer Anordnung des schwedischen Königs von 1799 musste über den Ernteerfolg genau Buch geführt werden. Da die Gemeinde Överkalix sehr abgelegen war, geben diese Werte auch ziemlich genau die Nahrungsversorgung und die Ernährungsbedingungen der Gemeinde wieder.
Mit Hilfe des Gemeinderegisters konnten die Geschichten mehrerer Familien nachvollzogen und mit den verfügbaren Lebensmitteln abgeglichen werden.

Man bezog sich speziell auf die Geburten des Jahres 1905 und überprüfte deren Todeszeitpunkte und Todesursachen. Von 199 Geburten des Jahres 1905 in Överkalix konnten die Sterbedaten von 96 Personen herausgefunden werden. Mit Hilfe dieser Daten erhofften sich die Forscher ursprünglich Aufklärung darüber, ob die Ernährungssituation von Kindern in ihrer Jugend einen Einfluss darauf hatte, später an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.

Die Fülle an Daten ermöglichte es den Zeitrahmen zu erweitern und auch den Einfluss der Ernährungssituation von Eltern und Großeltern mit einzubeziehen.
Zu diesem Zweck unterteilte man die Kindheit der Eltern und Großeltern in Abschnitte und überprüfte, ob einer der Abschnitte in ein Jahr mit einer der seltenen guten Ernten fiel. Diese Daten wurden dann mit dem Lebensalter der Kinder beziehungsweise der Enkel verglichen.
Nur in einem Fall war ein signifikanter Zusammenhang zu finden. Entscheidend war, ob Großväter im Alter zwischen 9 und 12 besonders viel oder besonders wenig Lebensmittel zur Verfügung hatten. War der Ernteerfolg durchschnittlich, folgte das Alter der Enkel dem Durchschnittsalter.
Bei besonders guter Ernährung verstarben die Enkel wesentlich früher, bei besonders schlechter Ernährung wesentlich später.
Die als „slow growth period“ bezeichnete Phase am Übergang zur Pubertät zwischen dem neunten und dem zwölften Lebensjahr schien eine entscheidende Bedeutung bei der Ernährung und ihren Folgen zu spielen.
Damit aber nicht genug! In einer weiteren Studie (Bygren et al. 2002) überprüften die Forscher zusätzlich zum Geburtsjahr 1905 auch noch die Jahrgänge 1890 und 1920, ließen auch noch die Todesursache mit einfließen, spezialisierten die Suche jedoch auf die scheinbar so empfindliche Phase zwischen dem neunten und dem zwölften Lebensjahr der Männer. Auch hier wurde der Zusammenhang der Ernährung der Großväter bestätigt, allerdings nur für den Jahrgang 1890. Da um 1920 bereits eine bessere Versorgung möglich war, wurde vermutet, dass diese die schlechteren Erntejahre ausglich und diese daher nicht mehr so sehr ins Gewicht fielen.
Bei 123 Versuchspersonen wurde als Todesursache außerdem eine Herz-Kreislauf-Erkrankung angegeben und bei 19 spielte Diabetes eine Rolle.
Im Fall von Diabetes war die Ernährung der Großväter wieder signifikant, bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen kam für die Väter eine Signifikanz für den selben Lebensabschnitt heraus.
Litten die Großväter beziehungsweise die Väter in diesem Lebensabschnitt unter Hunger, waren die Enkel beziehungsweise die Kinder relativ sicher vor der jeweiligen Erkrankung.
Und wieder stellt sich die Frage, wie die Ernährungssituation der Großväter und der Väter einen Einfluss auf die Nachkommen haben kann? Des weiteren bleibt die Frage, was die evolutionären Gründe für diesen Mechanismus sind.
Dass die „slow growth period“ einen wichtigen Zeitpunkt bei der Vererbung von Umwelteinflüssen an die Söhne darstellte, wurde zusätzlich durch eine Studie untermauert, welche ergab, dass die Söhne von Rauchern, welche bereits während dieser Phase angefangen hatten zu rauchen, bereits im Alter von neun Jahren einen signifikant erhöhten Body-Mass-Index hatten (Bygren et al. 2006). Dieser ließ sich nicht nachweisen, wenn es sich um die Töchter handelte, oder die Väter später mit dem Rauchen angefangen hatten.
Da in der zweiten Studie noch keine Unterscheidung zwischen Frauen und Männern stattgefunden hatte, erweiterten die Wissenschaftler ein weiteres Mal die Untersuchung und stellten Zusammenhänge fest, die vorher verborgen geblieben waren (Bygren et al. 2007).
Man hatte im Vorfeld mit Hilfe von Literaturangaben den Zeitrahmen, in dem die „slow growth period“ stattfand, genauer eingegrenzt und stellte nun fest, dass auch bei den Großmüttern ein Nahrungsüberfluss in dieser Zeit von Nachteil war.
Jedoch war hier eine Vererbung nur an ihre weiblichen Enkel festzustellen und auch nur, wenn es eine Großmutter väterlicherseits betraf, nicht jedoch bei den Großmüttern mütterlicherseits. Ein weiterer Einfluss war, dass eine gute Ernährung der Großmütter während der ersten 3 Jahre ihres Lebens einen gegenteiligen Effekt auf ihre Enkelinnen hatte und diese davon profitierten.
Dieser weitere Effekt scheint wie ein Umkehrschluss aus den Untersuchungen des holländischen Hungerwinters.

4.5 Callipyge

Callipyge ist der Name eines Merkmals bei Schafen, welches zu einer enormen Entwicklung des Hinterteils führt. Bei dem Versuch, das Merkmal gezielt zu züchten, um die Fleischproduktion zu erhöhen, stieß ein Farmer unerwartet auf Probleme. Wissenschaftler entdeckten einen verwirrenden Erbgang, welcher sich nicht mit Hilfe der klassischen Genetik erklären ließ (Georges et al. 2003).
Zunächst wies alles auf einen klassisch dominanten Erbgang hin, denn als der das Merkmal tragende Hammel mit normalen Schafen gekreuzt wurde, entstanden zur einen Hälfte Tiere, welche das Merkmal trugen und zur anderen Hälfte Tiere ohne ein enormes Hinterteil.
Danach wurde es allerdings komplizierter. Denn kreuzte man nun die entstandenen, das Merkmal tragenden Töchter mit einem normalen Hammel, so prägte nicht ein einziges Lamm das Merkmal aus, obwohl bei einigen nachweislich eine Kopie der Mutation vorhanden war. Es schien, als habe sich das dominante Merkmal in ein rezessives verwandelt.
Wenn man nun aber aus der so entstandenen dritten Generation ein männliches Tier, welches die Mutation in sich trug, mit einem normalen Schaf kreuzte, so entstanden wieder zur Hälfte Tiere mit dem Merkmal und zur anderen Hälfte ohne.
Nur männliche Schafe schienen das Merkmal weiter vererben zu können.
Noch interessanter wurde es, als man versuchte, reinerbige Tiere zu züchten, welche das Gen sowohl vom Vater, als auch von der Mutter geerbt hatten. Nach den Regeln der Genetik hätte man erwartet, dass reinerbige Tiere in jedem Fall das Merkmal ausprägen müssten, doch sämtliche reinerbigen Tiere wurden ohne das Merkmal geboren. Auf irgendeine Weise schien das Merkmal unterdrückt zu werden, wenn das Muttertier Träger des Gens war und es an seine Nachkommen weitergab.

Wie ließ sich dieser Erbgang erklären, der scheinbar gegen die Gesetze der Genetik verstieß? Und was war der evolutionäre Sinn hinter einem Erbgang, der ein Gen, bei der Vererbung durch ein weibliches Tier, an der Ausprägung hinderte?

4.6 Copy Cat – die erste geklonte Katze

Ein kalifornisches Unternehmen namens Genetic Savings & Clone, welches Geld mit dem Klonen von Haustieren verdienen wollte, ließ 2001 die erste Katze klonen. Copy Cat, wie das Tier originell genannt wurde, sah allerdings nicht so aus wie ihr genetisches Ebenbild. Die Fellzeichnungen beider Tiere wichen stark voneinander ab (Evers 2003).
Wie können aber genetisch identische Tiere eine unterschiedliche Fellzeichnung aufweisen?

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